Grafikmagazin

Fließende Übergänge

Transparentpapiere sind etwas Tolles, aber bei regulären Buch- oder Katalogproduktionen kommen sie nur selten zum Einsatz. Sie dienen als dekorative Trenner, aber mit ihrem vollen Potenzial und ihrer großen Stärke, der geringen Opazität, trauen sich nur wenige zu spielen. Umso positiver fiel uns der Ausstellungskatalog über Karl-Heinz Ströhle ins Auge, den das Vorarlberger Atelier Andrea Gassner mit viel Gespür für Form, Inhalt und Papierwahl umsetzte. 

Anlässlich einer Ausstellung zu den Werken von Karl-Heinz Ströhle in Bregenz gestaltete das Atelier Andrea Gassner ein, wie es die Kreativen nennen, »Kunst-am-Bau-Magazin«. Speziell Ströhles Arbeiten im öffentlichen Raum spielen mit fließenden Übergängen und Durchlässigkeit, was sich auch in der Gestaltung zeigen sollt und so kamen Andrea Gassner und ihr Team schließlich auf die Idee, Transparentpapiere einzusetzen. Eine folgenreiche Entscheidung, denn sie bestimmte fortan die gesamte Abfolge der Text-Bild-Kompositionen und die Dramaturgie der Gestaltung. 

Weißraum, klare Linien, Reduktion, Materialität, Transluzenz und Bewegung kennzeichnen die Arbeit Ströhles und finden sich auch im Katalog-Design wieder, so Andrea Gassner. »Die Textseiten werden konsequent von den Bildseiten getrennt und durch ein durchscheinendes Papier miteinander verwoben. In der gegenseitigen Überschreibung von großzügigen Bildseiten und der Typografie der Textseiten entsteht eine ganz neue Dynamik und Räumlichkeit. Die groß gesetzten Projekttitel vermischen sich nach dem Umblättern auf die Bildseiten wie ein lasierender Unterdruck.« Christopher Walser ergänzt: »Die beinahe seidig anmutende Transparenz des Papiers erlaubt den Blick in das bereits Gesehene genauso wie auf das Nachfolgende. Dadurch werden die Inhalte und die einzelnen Gestaltungselemente miteinander verwoben.« Was sich als Konzept schlüssig und im Endergebnis als beeindruckend erweist, war in der Umsetzung alles andere als leicht. Das Team ist es gewohnt, bei der Arbeit an Büchern Seiten im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zu gestalten, doch hier mussten gleich mehrere Doppelseiten hintereinander bedacht werden. Mit nur 57 g/qm stellte das Papier (Transpèhre von Fischer Papier) auch eine Herausforderung für die Buchbinder dar und die Kreativen mussten nicht nur viel Detailarbeit leisten, durch die ungewöhnliche Papierwahl veränderte sich auch ihr gesamter Arbeitsprozess. Interessanterweise war Ruhe bei diesem Projekt der Schlüssel zum Glück, denn nur so, durch genaues Hinsehen und Nachdenken, fiel auf, wenn sich Elemente überschrieben. Auch musste immer wieder überlegt und bemustert werden. »Das Ergebnis«, sagt das Team, »war eine ganz neue Dynamik für eine manifeste Drucksache; das Blättern der Seiten wird dadurch zu einem kinematografischen Erlebnis.« Bei den ED Awards 2022 in Tallinn wurde das Projekt bereits mit Silber belohnt. 

Text: Christine Moosmann