punktuell  mustergültig


Die Fläche unter der Oberfläche  –  Fassadengrafik Collini, Hohenems

Seit 120 Jahren beschäftigt sich das Vorarlberger Unternehmen Collini mit Oberflächen und hat sich im Laufe der Zeit auf das Veredeln von Werkstoffen durch Beschichten spezialisiert. In allen Lebensbereichen begegnen wir Collini-Oberflächen, ohne es zu wissen, und oftmals gibt erst die Beschichtung einem Rohprodukt seine Erscheinung und seine Funktion, zum Beispiel Gleitvermögen, Korrosionsschutz oder Leitfähigkeit. Die Firma ist weltweit tätig, der Stammsitz ist jedoch immer Hohenems geblieben.

Das Familienunternehmen ist bekannt für seinen Inno­vationswillen, seine ökologische und soziale Verantwortung und sein kulturelles Engagement. Dass sich diese Aspekte auch in der Corporate Communication bis hin zur Corporate Architecture widerspiegeln sollten, führte zu Aufträgen, die sich explizit „kommunizierenden“ Fassadengestaltungen und anspruchsvollen Gebäudekennzeichnungen widmen.

2013 wurde in Hohenems das neue Werk Rosenplatz gebaut, das auf die Veredelung von Aluminiumprofilen spezialisiert ist. Es ergänzt eine Reihe bestehender Bauten an diesem Unternehmensstandort. Unsere Aufgabe und die der Architekten war es, durch die Fassadengestaltung das „Unternehmen Ober­fläche“ – so der von uns entwickelte Claim von Collini – visuell zu kommunizieren. Das Gebäude ist 11 Meter hoch, 85 Meter lang und 60 Meter breit. Seine Fassade reagiert bereits mit ihren Unterteilungen facettenreich auf Größe und Funktion des Werks und verhält sich mit ihrer Gestaltung maßstäblich und proportional zum Umfeld. Durch eine silbern schillernde Hülle verliert das gewaltige Volumen an Gewicht. Wie ein sich spreizendes Gefieder erscheint der obere Bereich, die horizontale Teilung reduziert das Gebäude optisch in der Höhe. Im Sockelbereich, mit einer durchschnittlichen Höhe von 6 Metern, lag der von uns zu bespielende Aufgabenbereich. Architekt Roland Koeb definierte die Außenhaut: Trapezblech, grau-aluminiumfarben, mit senkrecht verlaufenden Auffaltprofilen von 5 Zentimetern, jeweils in einem Abstand von 15 Zentimetern. Die Bleche sind mit einer durchgehenden, 3 Millimeter großen Lochung versehen, die sich in einem Quadratraster von 8 Millimetern wiederholt. Unter dieser Haut liegen die Außendämmung und der Betonkern, über diesen eine Windschutzfolie. Und genau diese Folie interessierte uns für die Gestaltung. In Testreihen untersuchten wir die Bedruckbarkeit, klärten gemeinsam mit Lieferanten Fragen der Realisierbarkeit in solchen Größenordnungen und der Gewährleistung in der geforderten Zeitspanne. Insgesamt handelt es sich um eine Abwicklung von fast 300 Metern. Die Winddichtbahnen in der Dimension von jeweils 25 Metern Länge und 2,5 Metern Breite wurden im Inkjet-Rollendruck bedruckt und präzise unter die Lochbleche montiert. Wenn man die Öffnungen des Gebäudes und nicht bedruckbare Stellen abrechnet, entstand so eine „Drucksache” von über 1000 Quadratmetern.

Die Idee war, ein grafisches Muster zu definieren, das mit der Lochung im Trapezblech eine Wechselbeziehung eingeht. Ausgehend von grafischen Spielereien, landeten wir schlussendlich bei einem einfachen Punktraster, schwarz auf weißem Grund, in gleicher Dimension und Körnung wie die Lochung im Blech. In vielen Testreihen, letztlich sogar mit 8 Quadratmeter großen Probeflächen an der Fassade selbst, klärten wir die Entwurfsdetails und Ergebnisse mit der Unternehmensleitung und den Architekten. Die Überlagerung des gekanteten Lochblechs mit dem dahinterliegenden Punktraster wurde zu einem raffinierten Wahrnehmungsspiel. Die überlappenden Raster entwickeln kreisförmige Muster und Moiré-Effekte, die sich je nach Bewegung und Blickwinkel des Betrachters laufend verändern. Geht man am Gebäude entlang, erzeugt die Fassade einen „cinematografischen“ Effekt. Sie wird zur mehrschichtigen Oberfläche, die den Baukörper umspannt und die Kompetenz des Unternehmens ohne große Gesten und Gags repräsentiert. Wichtig war uns eine lang anhaltende Wirkung, die immer wieder neu zu überraschen versteht. Der Moiré-Effekte ist ab einem gewissen Abstand kaum sichtbar, entwickelt aber beim Näherkommen zunehmende Intensität. Je nach Lichtverhältnissen und Sonneneinstrahlung verändern sich die Effekte laufend. An der oberen Trapezprofilkante wurde umlaufend ein LED-Lichtband angebracht, das dem Fassadenbereich in der Dämmerung und in der Dunkelheit nochmals einen neuen visuellen Effekt schenkt. Die Architektur in Verknüpfung mit der grafischen Fassadengestaltung verleiht dem Gebäude ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Persönlichkeit.

Reinhard Gassner