Statement Leitsystem Bus

Statement Leitsystem Bus Der Stadtbus erschließt das Land

Dornbirn befreite sich bereits 1991 vom alten Postbus, entwickelte einen »Luxus-Linienbus« als Insellösung. Der Entwurf war aber von Anfang an weiter gedacht und wurde letztlich in ganz Vorarlberg umgesetzt.

Es war Anfang 1991, als mich Markus Aberer, Stadtplaner der Stadt Dornbirn anfragte, ob ich nicht an einem geladenen Wettbewerbsverfahren zur Gestaltung des Erscheinungsbildes für einen neuen »Stadtbus Dornbirn« teilnehmen wolle. Nach kurzer Bedenkzeit musste ich aus terminlichen Gründen absagen, sosehr mich die Aufgabe interessiert hätte. Es ging um einen umfassenden Designansatz – Bus, Haltestellen, Leitsystem, Corporate Design und Kommunikationsdesign. Dornbirn wurde mit der Problematik eines stetig wachsenden Individualverkehrs konfrontiert. Als öffentlicher Nahverkehr war großräumigen Ortsgebiet der Postbus die einzige Alternative. Dieser war für viele überhaupt kein Thema, höchstens ein notwendiges Übel. Die Fahrzeuge im gelb-orangen Postbusdesign, die allgegenwärtige »HKelle«, die Haltestellen, die Fahrpläne ... alles wirkte verstaubt und wenig attraktiv. Die Stadtplanung nahm die Sache in die Hand, befasste sich mit der Betreibersituationen, mit neuen Technologien, mit aktuellen Produktkriterien eines öffentlichen Nahverkehrs und mit den Chancen und Bedürfnissen vor Ort. Im Vorfeld des Wettbewerbs wurde sogar ein Studentenwettbewerb mit der Schule für Gestaltung, Zürich durchgeführt. Die Stadt war also gut für die Auslobung eines professionellen Wettbewerbs vorbereitet.

Mit großem Interesse habe ich dann Ende 1991 die Realisierung des neuen »Stadtbus Dornbirn« verfolgt. Wettbewerbsgewinner und Auftragnehmer war ein Team mit zwei erfahrenen Gestaltern aus Vorarlberg: Grafiker Reinhold Luger und Architekt Wolfgang Ritsch. Der neue Bus präsentierte sich als »Luxus-Linienbus«. Das hatte nichts mehr zu tun mit dem alten Postbus, so wie wir ihn kannten, auch nicht mit einem Reisebus in üblichem Hurra-Kitsch. Das war eher wie ein Privatauto: eine moderne Karosserie – die Lackierung im kräftigen Rot, unten und oben Anthrazit gefasst, große dunkle Fensterbänder, eine zurückhaltende Beschriftung, im Inneren eleganten Grautöne, eine funktioneller Möblierung mit schönen Stoffen und Belägen. Das Spektakuläre aber war das Chassis des sich zum Fahrgast leicht senkenden, sogenannten Niederflurbusses mit zwei Ein- und Ausstiegstüren. So was kannte man höchstens als Flughafenbusse. In Verbindung mit dem leicht erhöhten Gehsteig ist ein barrierefreier Einstieg möglich und das war vor 20 Jahren für einen öffentlichen Bus, zumindest in unserer Region komplett neu. Die Haltestelle überraschte mit modernen Wartehäuschen in einer transparente Stahl-Glas-Konstruktion, mit dezenter Beleuchtung und Möblierung. Auffallend waren auch die strengen, schlanken, etwa zwei Meter hohen Haltestellenhinweis-Säulen. Das visuelle Erscheinungsbild wurde bestimmt durch die strenge typografischen Gestaltung in der serifenlosen Neuen Helvetica. Die Anwendung war konsequent und – das können wir heute besser beurteilen – zukunftsfähig. Busse, Haltestellen und Kommunikationsmittel bekannten sich zur guten zeitgemäßen Form. Dornbirn hatte ab sofort ein eigenes Linienbus-System für den öffentlichen Nahverkehr, einen funktionellen Fahrplan, einen Busbahnhof und ein enges Netz von Haltestellen auf hohem städtebaulichem Niveau. Werbung und Benutzerführung basierte auf moderner visueller Kommunikation. Das »Stadtbus Dornbirn« prägte durch zeitliche und räumliche Präsenz das Bild von Dornbirn – die Stadt wurde zur Stadt.

Es handelt sich nicht einfach um eine konfektionierte Mobiltätsware sondern um Image und Identität, um ein prägnantes architektonisches und städtbauliches Muster.

Der neue Bus in Dornbirn war in ganz Vorarlberg ein Thema. Neben der Verbesserung des Angebots mit modernen Fahrzeugen und nutzungsfreundlicher Vertaktung wurden nun Bus und Haltestellen als ein imageförderndes und identitätsstiftendes Element wahrgenommen. Kein Wunder: die an frequenzstarken Lagen platzierten Haltestellen und die auf den Hauptverkehrsachsen kursierenden Busse bieten unglaublich hohe Kontaktchancen im öffentlichem Raum. Nicht umsonst werden sie so oft als Werbeträger missbraucht. Nicht aber in Dornbirn. Die neuen Busse und Haltenstellen waren werbebefrei, beziehungsweise warben für sich selbst. Sie sagten: wir sind Dornbirn, eine Stadt mit einem eigenen modernen Linienbus-System, das ist »Unser Bus«. Diese durch seine öffentliche Präsenz immer wiederkehrende Botschaft stützte das Gefühl für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit für die gesamte Stadt. Das alles war im Wettbewerb der Vorarlberger Kleinstädte ein deutliches Plus.

Und diese arbeiteten ihrerseits bereits an eigenen Konzepten: 1992 beauftragte die Stadt Feldkirch unser Atelier mit der Gestaltung eines Erscheinungsbildes für den Stadtbus Feldkirch. Die Aufgabe ging durchaus auch in Richtung Städtemarketing und war als Antwort auf den Konkurrenzdruck aus Dornbirn gedacht. Wir entwickelten Gestaltungslösungen mit starkem Feldkirch-Bezug in Farbe und Typografie. Etwa zur gleichen Zeit erhielten wir eine Anfrage zur Gestaltung des Erscheinungsbildes für einen neuen »Landbus Vorderland«. Das hat mich dann doch misstrauisch gemacht. Und, meine Erkundigungen bestätigten, dass gleichzeitig mehrere Städte und Gemeindeverbände dabei waren, eigene Bussysteme zu entwickeln und Designer zu beauftragen weitere »Insellösungen« zu gestalten. Ich habe den damaligen Landesstadthalter und späteren Landeshauptmann Sausgruber angerufen und bin offene Türen bei ihm eingerannt. Natürlich handle es sich um Initiativen der Gemeinden, die aber vernetzt und mittelfristig in einem landesweiten Verkehrsverbund verknüpft werden sollten. Die Notwendigkeit für ein einheitliches Erscheinungsbild wurde meiner Meinung nach anfänglich übersehen, wäre aber auch ohne meine Intervention sicher bald erkannt worden. Die Frage, was mit den bereits gut eingeführten Erscheinungsbild des Stadtbusses Dornbirn geschehen solle war für mich daher schnell beantwortet. Ich schlug vor, alle gestalterischen Einzelansätze, natürlich auch unsere bereits zur Umsetzung freigegebenen Gestaltungslösungen, zurückzulegen und aus dem Dornbirner Konzept ein landesweites Erscheinungsbild zu generieren. Die Designlösung in Dornbirn hatte allemal das Potential für eine überrregionale Werknutzung. Was ich erst später erfuhr: Die Gestalter hatten eine landesweite Nutzung des Systems von Anfang an mitgedacht. Die Verantwortichen reagierten positiv und schnell. Das Land erwarb die Rechte der architektonischen Elemente von Wolfgang Ritsch. Nolde Luger mutierte die Logotype mit Namensvarianten für andere Städte und Regionen und differenzierte die verschiedenen Anwendungen durch individuelle Farbgebung. So hat Bludenz ein Grün, Feldkirch ein sattes Gelb, Dornbirn das kräftige Rot und Bregenz ein Blau als Basisfarben für Buslackierung und Leitsysteme. Diese Farben sind meist auch tragende Corporate-Designelemente der jeweiligen Stadt. Für die Regionen dazwischen gab es ein Zitronengelb als einheitliche Farbe und die Namensbeifügung »Landbus« anstelle »Stadtbus«.

Die Abtastbarkeit einer guten Form hat nichts mit Abgehobenheit zu tun. Sie ist da als etwas Erfahrbares und Annehmbares mit menschlichem Maß. Im Stadt- und Landbussystem wurde sie mit Konsequenz verwirklicht.

Die modernen Linienbusse und die Haltestellen mit den Informations-Stelen gehörten bald zum vertrauten Bild im Lande. Die Haltestellen funktionieren solitär in der Landschaft genauso gut wie im innerstädtischen Bereichen. Die Benutzerführung erwies sich durch das Farbspiel der aufeinander abgestimmten Fahrzeuge, Stelen und Fahrplangrafik als äußerst effizient. Die beträchtliche Landesförderung für den Busbetrieb ist gebunden an die konsequente Einhaltung der Vorgaben des Erscheinungsbildes durch die einzelnen kommunalen Busbetreiber. Dies garantiert bis heute Einheitlichkeit und Durchgängigkeit. Leider gilt das nicht für die Wartehäuschen. Und so trifft man mancherorts auf die wenig erfreulichen Haltestellenbauten von Plakatunternehmern, die den Gemeinden sämtliche Kosten der Errichtung und Wartung der Haltestellen mit dem Substitut der Einnahmen durch frei vermietete Werbeflächen ersparen. Den Verantwortlichen in Feldkirch und im Vorderland habe ich vorgerechnet, was die Miete von Plakatflächen oder die Anzeigenschaltung zu üblichen Tarifen kosten würde im Gegenwert zur eigenen Nutzung der Busse und Haltestellen als Werbeträger. Ein weiteres wichtiges Argument gegen solche »Sonderlösungen« ist die Werteverletzung durch Fremdwerbung an kommunalen Fahrzeugen und Warteorten und die verpatzten ortsbildlichen Chance durch eine systemfremde Architektur. Das landesweite Bus-System blieb weitgehend frei von Fremdwerbung. Bis heute.

Die teilweise völlig unerwarteten Steigerung der Fahrgastfrequenzen – in Dornbirn beispielsweise von 2,6 Mil. im Jahre 1991 auf 5,2 Mil. Fahrgäste 2011, also um 100% – sind natürlich nicht einzig der guten Form geschuldet. Da gibt es sicher weitere wesentliche Faktoren, die ich weniger als visueller Gestalter, vielmehr als Konsument beobachten kann: die Bündelung in einen Vorarlberger Tarif- und Verkehrsverbund, verkehrsplanerische Busbevorzugung sowie das laufend verbesserte und sich selbst kommunizierende Angebot. Alleine in Dornbirn, einer Stadt mit 46.000 Einwohnern, sind heute 20 Linienbusse, hauptsächlich im 1/4 Std.-Takt in Betrieb und frequentieren dabei 240 Haltestellen – 42 davon mit Wartehäuschen. Der Stadtbus Dornbirn war entscheidender Impulsgeber des landesweiten Linienbus-Systems. Die ursprünglich lokale Angebots- und Designentwicklung konnte dank der Weitsicht der Verantwortlichen und zum Vorteil aller überregional genutzt und weiterentwickelt werden. Land und Gemeinden bekamen dadurch ein modernes öffentliches Verkehrsangebot und gleichzeitig einen starken, verbindenden Image-Baustein.

Reinhard Gassner