Atelier Gassner – Visuelle Geschichten

Visual Essays
Visuelle Geschichten

Herausgeber: Andrea Gassner, Reinhard Gassner / Atelier Gassner
Verlag: Sonderzahl
Jahr: 2017
Umfang: 288 Seiten
Sprache: Deutsch, Englisch
ISBN:  978-3-85449-468-3
Preis: 44,- Euro

Dieses Buch ist mehr als ein Corporate-Publishing-Projekt. Auf 288 Seiten werden nicht allein die spannenden Arbeitsergebnisse der letzten 20 Jahre aufgezeigt, viel mehr auf eindrückliche Weise die Wege und Prozesse, die dahin führten. Das Buch beschreibt die überregional beachtete Arbeit des Ateliers, dessen gestalterische Ansätze und die konsequente Orientierung am Inhalt und an den Kommunikationszielen. Die 15 vorgestellten Projekte umfassen räumliche und grafische Gestaltung im Fokus angewandter Kommunikation – Buchgestaltung und Szenografie, Signaletik und Fassadengrafik.

Das Buch selbst ist ein Beleg des kreativen Schaffens. Das Cover ist eine Remineszenz an eine konkrete Fassadengrafik zum Thema Haut und Oberfläche und überrascht die Wahrnehmung mit dem, was erst in der Wechselbeziehung zweier Oberflächen sichtbar wird. Die Herausforderung das Medium Buch im Buch zu zeigen gelingt, indem die Abbildungen einerseits beinahe faksimiliert auf die Seiten platziert werden, für den Betrachter somit eine weitere Interferenz zwischen Wirklichkeit und Darstellung entsteht. Andererseits wird der »filmische« Ablauf der Umbrüche und die Dramaturgie der Buchgestaltung auf einen Blick in Miniaturdarstellungen gezeigt. In den Beschreibungen finden sich Informationen zu den verschiedenen gestalterischen Ansätzen des Teams, zu interessanten Quellen und Herangehensweisen an den Kreativprozess. Textbeiträge haben Alberto Alessi, Walter Bohatsch, Köbi Gantenbein, Otto Kapfinger und Roland Jörg verfasst.

Der Architekt Alberto Alessi schreibt in seinem Essay: „Die Arbeit des Atelier Gassner ist eine Demonstration dieser tieferen räumlichen Vorstellung. Ziel ist die Vermittlung eines Wertes und nicht die Vermittlung formaler Resultate“.

Das massive Auftreten und die allgegenwärtige Nutzung digitaler Medien hat unsere Art zu kommunizieren seit den 1990er-Jahren völlig verändert. Die neu entstehenden virtuellen Kommunikationsräume überrumpeln uns, sind immer in Bewegung, müssen permanent neu verhandelt werden. Logos und Marken werden mehr und mehr durch eine noch nie dagewesene Bilderflut und die globale Auffindbarkeit von jedem und allem konkurrenziert. Wenn inzwischen selbst für Kinder das Generieren und Manipulieren von Bildern selbstverständlich ist, dann wird die Bedeutung der Abbildung neu codiert. Dasselbe passiert gerade mit dem Film. Die Autorität der Bildschöpfung ist weitgehend gebrochen und die Erzeugung von Bildern ist technisch und räumlich entgrenzt. Bilder und Videos sind die neuen „Wörter“. Sie werden als Bedeutungskomponenten mittels Smartphone laufend geteilt und mitgeteilt. Kreative Schöpfung und Kommunikation findet im Hier und Jetzt statt, ohne explizite kulturelle Verweise: „Ich maile, ich fotografiere und filme und ‚share it’, also bin ich“. Kaum spricht man jedoch von Dekontextualisierung der Nutzer, schon liefern algorithmengetriebene Medien über Profiling Pseudokontexte nach. Dabei handelt es sich allerdings um personalisierte Informationen, die auf das individuelle Konsuminteresse der Nutzer und den gewinnbringenden Verkauf ihrer Profile abzielen. Diesen scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten gilt es in der Kommunikation vermehrt Selektion, Orientierung und Qualität entgegenzusetzen.

Mit Skepsis gegenüber den noch unbekannten „neuen Medien“ folgte ich dem Ruf, am Aufbau des Studiengangs InterMedia der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn mitzuwirken. Ich war in den Jahren 1996 – 2000, ab 1998 als gestalterischer Leiter, für das Lehrangebot mitverantwortlich und erlebte die
digitale Revolution aus nächster Nähe. Schritt für Schritt entdeckten wir die Chancen und neuen Elemente für die angewandte Gestaltung wie Ton, Bewegtbild und Interaktion und setzten diese im Lehrprogramm um. Dogmatismus zwischen Apple/Macintosh und Microsoft/Windows begleitete uns von Beginn an. Apples Mitbegründer Steve Jobs wurde durch die Arbeiten des deutschen Bauhauses (explizit von Herbert Bayer) und der Ulmer Schule mit Dieter Rams inspiriert. Rams suchte bereits in den 1950er-Jahren nach der Klarheit der Form. Genau dies spürt man den Apple-Geräten und ihrer Benutzeroberfläche bis heute an. Gleichzeitig kam es zur Teilung der User: in solche, die designorientiert und andere, die am ökonomischen, pragmatischen Nutzen ausgerichtet sind. Wenn ich beispielsweise an die unnötigen Hürden der Kompatibilität zwischen den beiden Hard- und Softwaregiganten im Austausch von E-Mails denke, dann wird offensichtlich, dass dieser Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Benutzer beharrlich weitergeführt wird. Gewohnte gestalterische Werte wie Farbverbindlichkeit oder saubere Wiedergabe von Schrift- und Druckbildern scheinen generell durch die verpixelte und stark differierende Qualität der Bildschirmwiedergabe verloren zu gehen. Schreibprogramme zwingen uns ihre „Ästhetik“ auf und Sensorium-Prothesen – Ersatzeffekte für diverse Sinnesempfindungen in digitalen Medien – gaukeln uns Alternativen vor, die keine sind.

Das taktile Feedback von Druckerzeugnissen ist aber nicht so einfach zu ersetzen: Alle möglichen Geräuschkonserven für analoges Tun oder die 3D-Effekte auf den Flatscreens durch schematische Schatten und Hell-Dunkel-Verläufe sind ein ungenügender Ersatz für die Wirklichkeit und die Eingebundenheit in einen zeitlich realen Raum. Wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen und erleben gleichzeitig, wie die virtuelle Welt versucht, sich mit der faktischen zu verknüpfen und damit den Kreis wieder zu schließen. Die Palette an Medien und Werkzeugen, die uns Gestaltern zu Verfügung steht, wird umfangreicher und interessanter. Wie die Datenflut künftig bewältigt werden kann, bleibt abzuwarten. Letztlich geht es darum, Daten zu Information werden zu lassen. Gestalter können dazu beitragen, indem sie an den Inhalten und Kommunikationsanliegen ihrer Kunden Interesse zeigen und sich einmischen in den Austausch zwischen Absender und Empfänger.

In diesem Buch stellen wir einige Beispiele unserer Arbeit seit den 1990er-Jahren vor. Nicht nur Ergebnisse, auch die Wege, die dahin führen. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich bei allen unseren Auftraggebern für das uns entgegengebrachte Vertrauen. Begabte und engagierte Mitarbeiter begleiten uns dabei seit Anbeginn. Bereits Mitte 1976, ein halbes Jahr, nachdem ich begonnen hatte, ein Atelier aufzubauen, engagierte ich den ersten Mitarbeiter – Roland Schuster. Die intensive Zusammenarbeit im Team war und ist immer verbunden mit der Freude an kreativen Prozessen für und mit unseren Auftraggebern. Dank gilt meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre wertvollen Beiträge und Initiativen. Besonders danke ich meiner Frau Ruth. Mit unternehmerischer Sicherheit und mit ihrer Bereitschaft, administrativ und gestalterisch kompetent mitzuwirken, auch mit dem persönlichen Anliegen, für das Wohlergehen der Kunden und Angestellten zu sorgen, unterstützt sie unser Atelier bis heute maßgeblich. Auch unsere Kinder, Stefan und Andrea, entschieden sich für die berufliche Laufbahn der angewandten Gestaltung. In der Anfangsphase seiner eigenen Selbstständigkeit, gleich nach dem Studium zum Grafiker und Informationsdesigner, arbeitete Stefan Gassner als freischaffender Mitarbeiter für unser Atelier. Er vermittelte uns die kritische Hinterfragung von Kundenbriefings, verbunden mit daraus resultierenden neuen Gestaltungsansätzen und Impulsen zum inhaltlich orientierten Gestalten. Andrea Gassner trat nach ihrer Ausbildung in der Schweiz und in den Niederlanden bei uns als Mitarbeiterin ein und ist heute kreativer Mittelpunkt und leitende Teilhaberin des Atelier Gassner. Ich bedanke mich bei allen, die uns bei diesem Buch unterstützt haben – für die Buchgestaltung bei Andrea Gassner und Katharina Fründ, für das professionelle Monitoring bei Marcel Bachmann, für wertvolle konzeptuelle und strategische Ratschläge bei Alberto Alessi, Walter Bohatsch, Ernst Gärnter und Roland Jörg, Otto Kapfinger sowie Dieter Bandhauer, Verlag sonderzahl.

Reinhard Gassner, Schlins 2016