unterwegs daheim

Region Tannberg – Signaletik für Kultur- und Wanderwege

Der Tannberg bildet die Achse zwischen Bregenzerwald, Arlberg und Lechtal. Dort tagte einst jenes Walsergericht, das der Region den Namen gab und die drei Orte Lech, Warth und Schröcken seit der Besiedlung durch Walser über Jahrhunderte hinweg einte. Die Besonderheit und die gemeinsame Geschichte der Region sollten an speziell ausgewählten Wanderrouten und Wegpunkten vermittelt werden. Gedacht war das Informationsleitsystem für den sanften Wandertourismus im Sommer, es musste daher für die exponierte Lage in bis zu 2000 Metern Höhe geeignet sein.

Als wir uns an einem Wintertag zum ersten Mal in Oberlech mit den Auftraggebern trafen, kamen die Bürgermeister der benachbarten Gemeinden mit dem Skidoo angefahren. Die Talgemeinden haben im Winter oft keine Verkehrsverbindung. Vielleicht ist es die Wasserscheide zwischen Donau und Rhein auf dem Hochtannberg, die die Gemeinden trennt, sicher aber der Umstand, dass die Orte Warth und Schröcken generell einfacher vom Bregenzerwald her kommend erreichbar sind, Lech und Zürs dagegen vom Vorarlberger und Tiroler Oberland über die Flexenstraße. Unter der Tourismusmarke „Arlberg“ versammeln sich die Orte auf der südlichen Talseite, Lech, Zürs, St. Anton,
 St. Christoph und Stuben. Bei der Region Tannberg handelt es sich um Walsergemeinden, die bereits im 14. Jahrhundert aus dem Schweizer Wallis heraus besiedelt und erschlossen wurden. Die Menschen hier sprechen einen ausgeprägten Dialekt. Fast alle Walsergemeinden, ob in der Schweiz oder in Vorarlberg, führen bis heute einen Fünfstern oder mehrere in ihren Wappen. Dieses heraldische Merkmal fiel uns auf der Suche nach Identität auf. Es ist ein Zeichen mit hohem Symbolwert, das auf das ursprüngliche Abzählen an den Fingern einer Hand weist, das harmonische Maß des Goldenen Schnitts in sich trägt und sich in vielen alpinen Blütenständen findet. Die Idee, mit fünf Sternen zu „punkten“, war uns dann aber doch zu plakativ. Also konzentrierten wir uns auf den Namen „Tannberg“. Wir setzten das Wort in Großbuchstaben und hoben den betonten Vokal des Wortes, das „A“ hervor. So wird der Buchstabe zum Bild einer Tanne oder eines Berges.

Reinhard Gassner

In der Region Tannberg haben wir die äußeren Umstände zum Thema unserer Gestaltungslösung gemacht. In einer fast unberührten Natur ärgert man sich über alles Künstliche und Fremde. Anstelle von Plastikschildern mit aufgeklebten oder aufgedruckten Schriften haben wir daher als Basismaterial für die Beschriftungen unbehandeltes, sägeraues Holz gewählt. Holz ist Teil der traditionellen Baukultur in dieser Region und hat sich als witterungsbeständiges Material in solchen Lagen bewährt. Die CNC-gefrästen Schriftzeilen verursachen keine Probleme hinsichtlich Haltbarkeit und Lichtechtheit. Im Gegenteil, im Zuge der Alterung ergraut das Material, die konisch vertieften Buchstaben bleiben durch das Licht- und Schattenspiel immer gut sichtbar und die Beschriftungselemente werden so Teil der Kulturlandschaft. Den Spuren der Walser zu folgen, bedeutet hier, lange Wege zu gehen. Wanderer sind deshalb froh über eine gemütliche Bank an einem schönen Ort. Dies und der „äußere“ Umstand, dass die entsprechenden Geschichten mit speziellen Orten verknüpft sind, hat uns auf die Idee gebracht, für die Wanderer Bänke als Beschriftungselemente einzurichten. Wertvolle Anregungen in der Recherchephase zum Projekt verdanke ich meiner Gestaltungskollegin Heike Czerner. Die Architekten Hermann Kaufmann und Christoph Dünser gestalteten das Mobiliar aus traditionellem Lärchenholz in zeitgemäßer Form als witterungsbeständige Konstruktion.

Bei einem Wanderweg wie am Tannberg, der auf 2000 Metern liegt, müssen Höhenlage, Jahreszeiten und Lichtverhältnisse beachtet werden. Im Innenraum arbeiten wir mit künstlichem Licht, in einem natürlichen Umfeld hat man mit Tag und Nacht umzugehen. Die Unterscheidung liegt aber nicht so sehr im Innen- oder Außenraum, sondern in den jeweiligen Kommunikationsanliegen. In einem Flughafen oder Krankenhaus oder auf der Straße geht es um pragmatische Wegweisung und Orientierung (jemand will möglichst schnell von A nach B gelangen). Ein Wander­wege-Leitsystem muss dem Wanderer den rechten Weg weisen. Das Tannberg-Projekt ist aber nicht ausschließlich ein Wander­wege-Leitsystem, sondern ein Begleiter auf einem Kulturpfad. Die meisten Wege befinden sich über der Waldgrenze und sind gut sichtbar. Es geht also nicht nur um das Kennzeichnen der Wege, sondern vielmehr auch um die Vermittlung von Informationen zu besonderen Orten. Die Kombination der schlichten Holzbänke mit den interessanten Botschaften schenkt den einzelnen Elementen eine hohe Wirkungskraft. An Orten mit besonderer Aussicht sind Sichtstelen mit einem genau ausgerichteten Guckloch auf das jeweils beschriebene Objekt platziert. Realisiert sind 63 Bänke, 12 Latten und 6 Stelen. Durch die Fräsung im Holz wurden Wortmarke und Texte in eine dritte Dimension übersetzt, wodurch ein lebendiges Licht- und Schattenspiel entsteht. Die Wanderer auf diesen Themenwegen erfahren so Wissenswertes und kurze Geschichten zum jeweiligen Standort. Vertieft werden die Informationen durch eine analoge sowie eine interaktive Wanderkarte mit dynamisch programmierter Kartografie.

Andrea Gassner


Bereits 1993 gestaltete Reinhard Gassner in Zusammenarbeit mit der Raumplanungsstelle des Landes ein vorarlbergweites Wanderwege-Leitsystem. Er entwickelte dafür ein schlichtes Schildersystem aus naturfarbenem Aluminium, da in Tests diese Materialität und Farbe vor allem bei schlechter Witterung gut sichtbar waren. Auf knallige Farben wie Gelb oder Rot wurde bewusst verzichtet. Im Gegensatz zum Tannberg geht es hier nicht um Kommunikation, sondern um Orientierungshilfe, die für Wanderer in ausgesetzten Situationen elementar sein kann. Überfrachtung wäre daher kontraproduktiv und verwirrend. Inzwischen sind in Vorarlberg etwa 20.000 Schilder an 6800 Standorten aufgestellt.