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Architekturführer – Buchreihe augewählter Bundesländer Österreichs

1997 diskutierten wir mit dem Gründungsdirektor des Kunst­hauses Bregenz Edelbert Köb und dem Architekturtheoretiker Otto Kapfinger über eine Buchreihe zu zeitgenössischer öster­reichischer Architektur. Gedacht waren nützliche Wegbegleiter, die auf aktuelle Bauten in den verschiedenen Bundesländern aufmerksam machen. Heute würden wir wohl digitale Service-Plattformen dafür nutzen. Aber in den späten 1990er-Jahren begann man erst, die verschiedenen Anwendungsbereiche digitaler Kommunikation auszuloten und rätselte unter anderem ernsthaft darüber, ob „Scrollen“ gut oder schlecht ist, während Informationsdesigner bereits viel weitreichendere Interaktions-Sensorik erforschten. Smartphones standen erst am Beginn ihrer Entwicklung, Tablets lagen noch in den Planungsschubladen, von Responsive Web­design war weit und breit keine Rede. Dennoch, die Fragestellung würde auch heute genau so lauten wie 1997: Wodurch werden die betreffenden Objekte gut dargestellt und wodurch sind sie gut auffindbar – im Vermittlungsmedium selbst und in der Realität vor Ort?

Bereits in den ersten Gesprächen war uns klar: Die Inhalte – Fotografie, Text und Plangrafik – müssen auf kleinem Format in hoher grafischer und reproduktionstechnischer Präzision abgebildet werden. Die haptischen Anforderungen waren genauso wichtig: Das Ding hat klein zu sein, biegbar und wasserabweisend. Es soll gut mit auf Reisen mitgenommen werden können und Platz im Handschuhfach, auf dem Fahrradgepäckträger oder in der Jeanstasche finden. Den eigentlichen Nutzen kann aber erst ein durchdachtes inneres Navigationssystem garantieren.

Für den ersten Band teilte Otto Kapfinger das Land Vorarlberg in überschaubare Regionen. Die Abfolge der von ihm ausgewählten Bauten ordnete er numerisch entlang der Wege an, die zu ihnen führen. Unterstützt wird die Wegweisung durch eine eigens angefertigte Kartografie für die jeweilige Region, die nur die wichtigsten Straßen, Merkmale und Namen enthält. Das ermöglicht eine übersichtliche Verortung der Objekte, die mit fortlaufenden Nummern gekennzeichnet sind. Mit nur zwei Zahlen – jeweils eine für die Region und eine für das betreffende Objekt – werden die Leser durch das Buch und zu den Objekten geführt. Die Zahl der Region steht über einem Horizontalstrich und die Objektzahl darunter. Diese Zahlenkombination funktioniert gleichzeitig als Paginierung. Mit dieser Methode sind die Bauten in den Regionsplänen, auf den Objektseiten und in den Registern des Anhangs gut auffindbar.

Regionskapitel gliedern und ordnen die Bände. Beim Architekturführer für Vorarlberg ist der Einstieg in diese Kapitel durch einleitende Texte, eine Regionskarte und ein Verzeichnis aller in der jeweiligen Region enthaltenen Objekte gegliedert. In anderen Bänden, beispielsweise für Kärnten, ist dieser Einstieg ergänzt mit randabfallend gedruckten Fotomotiven zur jeweiligen Region. Die Objektseiten sind konsequent einseitig und nur bei einzelnen Bauwerken doppelseitig angelegt. Das kleine handliche Format erfordert eine exakte Typografie und eine extrem hohe Wiedergabequalität im Schwarz-Weiß-Druck. Teilweise wurden Sprachausgaben – eine auf Deutsch, eine auf Englisch – oder auch mehrsprachige Ausgaben hergestellt. Mit individuellen Schriftmenüs reagierten wir auf spezifische Besonderheiten der jeweiligen Bundesländer.

Eine große Herausforderung stellte bei allen Bänden die „Materialschlacht“ dar, mit der wir konfrontiert waren: Bilder aus unterschiedlichsten Quellen, in verschiedensten Formaten und Auflösungen. Durch eine aufmerksame Schwarz-Weiß- Duplexlithografie und spezielle Druckeinstellungen wurden die Fotografien vereinheitlicht und für den Druck auf minimale Größe optimiert. Allein schon die Reduktion auf Schwarz-Weiß führte zu mehr Konzentration auf das Räumliche und Skulpturale der Bauten. Die Plangrafiken der Architekten – zumeist nicht geeignet für die Publikation in Briefmarkengröße – erforderten eine aufwendige und detaillierte Bearbeitung als Vektorgrafiken,
reduziert auf die im Layout vorgesehene Darstellungsgröße.

Die Bände haben einen Umfang von 256 bis 364 Seiten. Um sie möglichst kompakt und flexibel zu gestalten, wählten wir für das Kernpapier ein opakes, aber sehr dünnes Kunstdruckpapier. Die Bindung ist als fadengeheftete Broschur in einem laminierten Softcover mit Allongen ohne Rückenleimung ausführt und garantiert dadurch ein hervorragendes Aufschlagverhalten von der ersten bis zur letzten Seite.

Die Cover zu den einzelnen Bundesländern unterscheiden sich innerhalb einer zurückhaltenden Farbpalette. Durchgängiges Gestaltungsmerkmal sind die fein gesetzten Linien auf dunklem Grund.

Beim Architekturführer Vorarlberg ist es der Gestaltungsraster des Kerns, der mit einer filigranen Liniatur den Aufbau des Layouts von innen nach außen trägt. Die Covergestaltung verweist damit auf die Entwicklung der zeitgemäßen Vorarlberger Architektur, die den architektonischen Modulor zu einem sichtbaren Gestaltungsprinzip erhob. Beim Architekturführer Tirol erscheint der Titel mit linearer Bergsilhouette, die allerdings ein Trugbild ist. Es handelt sich um ein Liniendiagramm, das auf der vertikalen Achse interessante Zahlenwerte und ihren jeweiligen Ausschlag pro Region darstellt. Ablesbar sind beispielsweise die Zahl der Nennungen und das Alter der ausgewählten Objekte sowie das Alter der mitwirkenden Architekten. Beim Buch für Kärnten ist es die Kartografie der Gewässer, die abgebildet wird und dem Buchkörper ein feines Aderwerk verpasst. Der Architekturführer für Burgenland und Westungarn zeigt charakteristische Linienbilder der schlanken Liegenschaftskataster inklusive Autobahnschneise inmitten der schmalen Grundstücke.

Die Auswahl der gezeigten Bauten erfolgte generell durch Otto Kapfinger, der autonom nach den Kriterien baukünstlerischer Innovation seine Selektion begründete. So wurden vor allem jene Bauten gewählt, die bestimmte Themen erstmals aufgegriffen haben, oder solche, die innerhalb einer breiteren, zeittypischen Aufgabenstellung spezielle Aspekte modellhaft verwirklichten. Für die inhaltliche Gestaltung in Bezug auf Anordnung und typografische Hierarchie bilden die Hauptdaten der Bauten (Gebäudebezeichnung, Datierung, Adresse und Architekt) jeweils die Headline der Projektporträts. Kurze Textabschnitte vermitteln in Stichworten das konstruktive, räumliche, energetische und topografische Konzept. Ergänzend sind in den Randspalten Hinweise auf weitere Bauten vermerkt, die sich in der Nachbarschaft der präsentierten Objekte befinden.

Reinhard Gassner


Im Kontext der Buchreihe der Architekturführer entstanden …

Unter dem Titel „Konstruktive Provokation – Neues Bauen in Vorarlberg“ war 2003 eine Ausstellung im Gebäude des französischen Architektur­instituts in Paris zu sehen. Sie wurde in der Folge aus dem Französischen ins Deutsche und Englische übersetzt und reiste an rund 40 europäische Ausstellungsorte. Wir waren mit der Ausstellungsgrafik und der Gestaltung begleitender Werbemittel betraut. Parallel zur Ausstellung erschien ein Katalog, der sich in Format und Materialität bewusst an der Buchreihe der österreichischen Architekturführer orientiert. Neben kurzen Texten erzählen vor allem Bilder etwas über die Entwicklung des kleinen Landes Vorarlberg. Dafür wurden drei Bildebenen gewählt:

_ Ein visueller Essay über das Land und seine Menschen in Schwarz-Weiß-­Fotografien von Nikolaus Walter. Es sind Bilder, fast könnte man sagen kleine Filme, die immer eine Geschichte erzählen.
_ Darstellung der aktuellen architektonischen Situation mit Farbabbildungen von Ignacio Martínez, die keine einzelnen Gebäude in üblicher Architekturfotografie zeigen, sondern ganze Ensembles und damit etwas über architektonische Nachbarschaften und Beziehungen berichten.
_ Erklärgrafische Darstellungen, die Zahlen, Fakten, Statistiken mit erzählerischen, manchmal auch ironischen Mitteln darstellen. So wird zum Beispiel die Höhenlinie von Paris bis Wien gezeigt oder es werden Kühe auf Gästebetten gestellt, um zu zeigen, dass es in Vorarlberg etwa gleich viele Kühe wie Gästebetten gibt.