Was ist ein Plakat, was ist ein gutes Plakat?

Einfach formuliert: ein Plakat ist eine Drucksache in Übergröße, im öffentlichen Raum mehrfach affichiert und mit einer bestimmten Botschaft des Auftraggebers versehen. Ein gutes Plakat ist nicht plakativ – im Sinne von vordergründig oder von offensiver Primitivität, die mich niederschlägt, wenn ich nur kurz hinschaue. Ein gutes Plakat ist eines, das mir nicht auf die Nerven geht, das mich vielmehr erfreut, das mir Lust macht auf mehr; eines das mich reizt, noch einmal hinzuschauen. Ein gutes Plakat lässt mich hineingehen, schafft Raum für Imagination durch bewusste visuelle Irritationen und durch Balance zwischen Bildwitz und Inhalt. Ein gutes Plakat ist also genau das Gegenteil von plakativ: differenziert, ausführlich und komplex.
Ein Plakat ist kein starres Bild, sondern eine blitzartig ablaufende Szene. Das Auditorium sind die Passanten auf der Straße, die Bühne ist die Plakatfläche und die Darsteller sind die Farben, Formen, Bilder und Texte. Der häufigste Fehler ist, wenn auf einem Plakat alles zugleich sichtbar gemacht werden will. Gute Plakate leben von der Konzentration auf einen starken Grundeffekt und einer schrittweisen Vermittlung weiterer Botschaften. Und sie leben davon, dass durch gute Gestaltung dieser besondere visuelle Klang erreicht wird, der attraktiv, nicht abstoßend, auffallend und erzählerisch, nicht nervig wirkt.
Schon oft wurde das Medium Plakat totgesagt. Aber gerade bei jungen Menschen erlebt es heute wieder einen Aufschwung. Das mag an der neue Flexibilität kostengünstiger digitaler Drucktechniken liegen oder durch seine Präsenz und sein analoges Dasein in einer Zeit digitaler Vernebelung und virtueller Ortlosigkeit. Und ein Plakat kann man nicht einfach ausschalten – es bleibt da, bis es überklebt oder weggenommen wird.

Reinhard Gassner