natürlich narrativ

Holzperspektiven: Wald, Baum, Holz, Haus  –  Ausstellung Rubner Haus, Kiens

Rubner ist eine europaweit tätige Unternehmensgruppe für Holzbau, Holzbau-Systeme und Bauprodukte bis hin zum fertigen Haus. Das Rubner Center liegt in Kiens, mitten im Südtiroler Pustertal, zwischen Durchfahrtstraße und Bahnlinie. Es ist der Stammsitz des Unternehmens mit Holdinggebäude, mehreren Produktionsstätten, Lagerbereichen, Musterhaus-Park sowie einem Forschungszentrum und großem Verwaltungsgebäude. Trotz der Lage an einer stark frequentierten Verkehrsachse war das Unternehmensareal schlecht wahrnehmbar und lud nicht unmittelbar zu einem Besuch ein. Die unterschiedlichen architektonischen Sprachen seiner Bauten machten es schwierig, das Firmengelände als Ganzes zu erfassen, es fehlte an Klarheit, Lesbarkeit und Orientierung.

Die Unternehmensleitung suchte lange nach einem geeigneten Partner und wurde schließlich durch die von uns gestaltete Fachzeitschrift „zuschnitt“ und die Ausstellung „Bauen mit Holz“ in Wien auf unser Atelier aufmerksam. So erhielten wir den Auftrag, eine Studie zur Situation zu erstellen und Vorschläge zur Verbesserung der Standortkommunikation zu machen. Eine besondere Herausforderung lag im Aufeinandertreffen von kommunikativen, visuellen, architektonischen und räumlichen Aspekten sowie von zwei sprachlichen Kulturen, italienisch und deutsch. Um auf die Fragestellungen professionell eingehen zu können, traten wir in eine Arbeitsgemeinschaft mit dem aus Italien stammenden und in Zürich tätigen Architekten und Architektur­theoretiker Alberto Alessi. In einer ersten Master­planung entwickelten wir gemeinsam strategische Ansätze für Szenografie, Raum und Kommunikation. Wir thematisierten kritisch die Situation, bestimmten zentrale Hauptelemente wie Landmarks, Grenzen und Zugänge, definierten den öffentlichen Raum und die Parkplatz­situation. Auch die Möglichkeiten eines Pylons als Aussichtsplattform und einer Pergola am Fluss entlang des Musterhaus-Parks sowie kommunikativer Zonen innerhalb der Gebäude wurden untersucht. In der Folge verorteten wir drei Hauptmomente des Rubner Centers: Schau, Bau, Haus. Namen sind zumeist das am längsten wirksame Element einer Corporate Communication. Daher wollten wir das Areal selbst sowie die wichtigen Häuser und Orte aufeinander abgestimmt und zeitgemäß benennen. Gemeinsam mit der Unternehmens- und Marketingleitung von Rubner und mit meinen freischaffenden Kooperationspartnern, dem Architekten Alberto Alessi und dem Kulturtheoretiker und Germanisten Roland Jörg entwickelten wir ein Dutzend Namen. Besondere Beachtung fand dabei, dass die Bezeichnungen mehrsprachig verständlich oder gut ins Deutsche, Italienische und Englische transferierbar sind.

Reinhard Gassner

Für das signaletische System des Areals stellte ich mir eine Methode vor, die es erlaubt, nicht nur die Wegführung sichtbar zu machen, sondern auch visuelle, sequenzielle Erzählungen in der Bewegung der Betrachter entstehen zu lassen. Einen inte­re­ssanten Ansatz bot die Wirkung von Lamellenbildern – auch Trisceneorama genannt –, bei denen Bilder je nach Betrachtungswinkel (jeweils seitlich oder frontal) drei unterschiedliche Ansichten zeigen. Im 18. Jahrhundert diente diese Darstellungsform dazu, unfassbare Phänomene wie zum Beispiel die Dreifaltigkeit wiederzugeben. Mir ist diese spezielle Art dreidimensionaler Bilder erstmals in Neu-Delhi aufgefallen, wo heute noch hinduistische Götter auf diese Weise abgebildet und an den Straßenecken verkauft werden. Für die Aufgabenstellung bei Rubner erschien es zielführend, auf diesem Bildsystem aufzubauen und es für die vorhandene Situation neu zu interpretieren. Darüber hinaus fanden sich auf dem Rubner-Areal Silos, die mit vertikalen Holzlamellen verkleidet waren und somit dieses Grundkonzept schon andeuteten. Eine wichtige Anforderung an die Gestaltung war der Werkstoff Holz selbst. Es war naheliegend, Holz als Informationsträger einzusetzen. Die Eigenschaften des Materials sollten durch Ecken und Kanten sichtbar gemacht werden. Erste Versuche beinhalteten die Ummantelung der Silos mit der Wortfolge „Holz – Legno – Wood", die sich erst durch eine langsame Drehung der Lamellenkonstruktion zeigen sollte. Die Idee der drei Ansichten ist universell und eignet sich sowohl für erzählerische Bildfolgen als auch für signaletische Informationen. Für die Ausstellung entwickelten wir die Idee weiter und arbeiteten mit Piktogrammserien, beispielsweise zwei Hände, die sich zum Handschlag finden, oder ein Baum, der zum Haus transformiert. Die Metamorphose findet immer durch die Bewegung des Betrachters oder des Bildträgers statt.

Andrea Gassner

In weiteren Arbeitstreffen wurde die Idee einer Dauerausstellung im Empfangsgeschoss des Verwaltungsgebäudes diskutiert und verfeinert. Gemeinsam mit Alberto Alessi entwickelten wir als Kuratoren und Gestalter eine Ausstellung auf einer Fläche von rund 400 Quadratmetern, die mit „Holzperspektiven“ betitelt wurde. Sie erzählt von Wald, Baum, Holz und Bau, macht die physischen und haptischen Eigenschaften von Holz spür- und sichtbar und zeigt seine Bedeutung für die Baukultur, in früheren Zeiten wie heute, regional sowie international. Die Ausstellung ist eine sinnliche Erzählung über die Rohstoffquelle Wald bis hin zu unterschiedlichen Perspektiven der stofflichen Verwertung. Es geht um die Passion Holz, die im Unternehmen Rubner zu spüren ist und auch für Besucherinnen und Besucher erlebbar werden soll.
Drei reale Ausblicke schaffen die Beziehung zum (Außen-)Raum: auf den Wald am nordseitigen Berghang, nach Osten auf den Musterhaus-Park mit geplanter Pergola und Pylon sowie der Blick direkt in die angrenzende Fertigungshalle. Es ist ein beeindruckendes Erlebnis, die Präfabrikation von Holzelementen zu beobachten und diese „in Echtzeit“ zu verfolgen. Der dafür nötige, von der Unternehmensleitung zuerst unter Vorbehalt umgesetzte Durchbruch durch die gut 1 Meter dicke Mauer erwies sich als ein Schlüsselfaktor, der heute von Stefan Rubner als der „beste Platz“ in der Schau bezeichnet wird. Praktisch mitten in der Ausstellungsfläche steht ein Besprechungsraum mit wandhohen Glasfronten. Darauf platzierten wir geschwungene typo­grafische Linien in Form einer überdimensionalen Holzmaserung. Diese bestehen aus 135 Namen europäischer Baumarten von A bis Z, mit Tausenden Klebebuchstaben geschrieben; die wichtigsten Holzarten Südtirols sind grün hervorgehoben.

Da in dem großräumigen Foyer mit Treppenhaus und Lichthof raumschaffende Elemente notwendig waren, entwarf Alberto Alessi eine Ausstellungsarchitektur mit stapelbaren Brettern und Leisten als flexibles System für senkrechte und horizontale Strukturen. Gleichzeitig nutzten wir diese Struktur als Wand- und Podestelemente, für Zwischenlagen und Möblierung. Die kreuzlagig übereinander geschichteten Holzteile aus anthrazit lasiertem Fichtenholz sind zudem ein idealer Träger für die Beschriftung der Exponate. Die mittels Lasergravuren eingeschriebenen Texte auf Deutsch und Italienisch bringen den helleren Holzkern zum Vorschein und sind dadurch gut lesbar. Wände und Aufbauten erlauben Durchblicke und Einblicke, schaffen eine leichte und doch konzentrierte Atmosphäre. Der Ausstellungsbau erforderte über 10 Kubikmeter Holz – eine Menge, die in Südtirol in nur 3 Minuten nachwächst. Auch diese Botschaft findet sich in der Ausstellung als wichtiges Argument für die Verfügbarkeit des Baustoffs Holz. Neben bildlichen Darstellungen und griffigen Aussagen spielt die taktile Nachvollziehbarkeit eine besonders große Rolle in der Ausstellungsdidaktik. Beispielsweise dient eine 200-jährige Lärchenholzscheibe als Zeitachse der Entwicklungsgeschichte von Rubner und des Holzbaus. Mit Stiften und weißem Zwirn werden die chronologisch an der Wand beschriebenen Fakten mit den jeweiligen Jahresringen verknüpft, vom Wiener Kongress bis zum Smartphone.

Die Ausstellung ist nicht nur Fachleuten, sondern allen Interessierten zugänglich. Mehrfach wurde uns seitens der Unternehmensleitung bestätigt, wie wertvoll dieses begeh-, begreif- und erlebbare Argumentarium für den Kontakt mit unterschiedlichen Zielgruppen ist – von Kunden und Architekten über Schulklassen bis hin zu interessierten Touristen. Alberto Alessi hat uns auf die Gedanken des italienischen Literaten Italo Calvino aufmerksam gemacht, die in ihrer Gesamtheit wunderbar zu den Qualitäten des Holzes und den Eigenschaften, die eine Ausstellung aufweisen sollte, passen. Es handelt sich um die viel beachteten „Vorschläge für das nächste Jahrtausend“, die Calvino bereits im Jahr 1985 entwickelte – sie enthalten die Schlüsselworte Leichtigkeit, Schnelligkeit, Genauigkeit, Sichtbarkeit, Vielfältigkeit und Konsistenz.

Reinhard Gassner