konsequent  richtungsweisend

zuschnitt  –  Fachzeitschrift proHolz Austria, Wien

Journalistisch anmutende Produkt- oder Unternehmenskommunikation gibt es zuhauf. Doch schon auf den zweiten Blick muss man meist erkennen, dass es sich nicht um fundierte Inhalte handelt, sondern um billige Werbung unter redaktioneller Tarnkappe. Wie ist es also möglich, ein Fachmagazin so zu gestalten, dass es zum Flaggschiff-Medium eines Baustoffs, ja einer ganzen Branche wird?

Ausgangspunkt für die Maßnahme war ein gewaltiges Imageproblem von Wald und Holz in den 1990er-Jahren. Der Wald wurde mit „Waldsterben“ – eine völlig überzeichnete Behauptung – und Holz mit rückständiger Bauweise, Kitsch und Bastelwerk, bestenfalls rustikaler Gemütlichkeit konnotiert. Es ging darum, das bestehende Bild zu korrigieren und neu zu besetzen. Nachwachsende Rohstoffe wurden inzwischen als essenzielle Ressource der Zukunft erkannt. Gleichzeitig entdeckte man die dem Holz innewohnenden Qualitäten als Baustoff wieder. Die Holzindustrie entwickelte neue, flächige Werkstoffe, mit denen nun in größeren Dimensionen geplant und gebaut werden konnte. proHolz Austria als strategischer Marketing-Arm der holzverarbeitenden Industrie hatte die Aufgabe, diese Neuorientierung zu unterstützen.

Die Idee bestand darin, eine vierteljährlich erscheinende Fachzeitschrift als Hauptkommunikationsmittel aufzubauen. Damit sollten die essenziellen Botschaften aktuell recherchiert und auf einem hohen Niveau kommuniziert werden. Zielgruppen sind diejenigen, die das Material Holz vermitteln und nutzen – die „planende, bauende Gesellschaft“ in Österreich und in den Exportmärkten –, in erster Linie Architekten, Bauingenieure, Bauentscheider und Interessierte. Der Fokus richtet sich auf den konstruktiven Holzbau, mit innovativen Werkstoffen und Bautechniken sowie größerem Bauvolumen, in der Stadt und auf dem Land. In einem Vorkonzept erarbeitete der Auftraggeber in Zusammenarbeit mit den Architekturtheoretikern Walter M. Chramosta und Arno Ritter ein redaktionelles Konzept für eine „Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz“.

Die redaktionelle, journalistische Berichterstattung wurde ernst genommen. Seit der Gründungsphase tagt auf Einladung des Herausgebers viermal jährlich ein Editorial Board mit Archi­tekten und Holzfachleuten und liefert Kritik, Inhalte und Schwer­­punktthemen – ein Content-Management-System erster Güte. An diesen Workshops sind wir seit Anbeginn beteiligt und gewinnen dadurch laufend den nötigen Einblick für die gestalterische Umsetzung. Mit hohem redaktionellem Aufwand wer­den Text- und Bildinhalte mit professioneller Autorenschaft recherchiert und journalistisch aufbereitet und auf den jeweiligen Themenschwerpunkt „zugeschnitten“. Damit ist eine Kerneigenschaft benannt, die dem Medium den Namen gab. Gemeinsam mit Walter M. Chramosta, Roland Jörg und Reinhart Morscher entwickelten wir den Magazintitel „zuschnitt“. Er vermeidet es, Worte wie Holz, Bau oder Architektur anzusprechen, und erzählt doch von Holz und Bearbeitung, Serie und Maßform und weist zudem eine hohe phonetische Qualität auf.

Über 60 Ausgaben sind bis dato erschienen. Satzspiegel und visuelles Programm des Mediums wurden bewusst so angelegt, dass kreative Freiräume erhalten bleiben. Diese Räume nutzen wir. Jede Ausgabe wird von uns grafisch betreut und individuell umgesetzt. Wir lesen die Texte mit Interesse und bringen sie in ein verständliches und leicht erfassbares Gefüge. Unter der Federführung unseres Mitarbeiters Marcel Bachmann wird jede Ausgabe individuell gestaltet, gesetzt und druckfertig konditioniert. Didaktische Mittel sind Angemessenheit, Maßstäblichkeit und Vergleichbarkeit sowie Plangrafiken, Kartografie und Konstruktionsdetails. Manchmal setzen wir synchronoptische oder bildstatistische Darstellungen und Diagramme zur Lesbarmachung von komplexeren Inhalten ein. Layout, Typografie und Umbruch folgen dem Anspruch einer bibliophilen Gestaltung und Materia­lisierung. Um sich vom vorherrschenden „Farbrausch“ heutiger Medien abzuheben, ist die Reproduktion vorrangig schwarz-weiß gehalten. Das Cover wird vom Magazinnamen, der fortlaufenden Ausgabenummer und einem Titelbild auf rotem Feld dominiert. Die Innenseiten sind aufgeräumt und sachlich gestaltet. Der Eindruck von Werbung wird vermieden. Es gibt keine großen Headlines, das Format ist schlichtes A4, die Seitenanzahl begrenzt. Und auf der Zeitschrift findet sich kein proHolz-Logo. Die Marke ist das Holz selbst und nicht proHolz. Die Typografie wird von der serifenlosen, aber im Mengentext lesefreundlichen Schriftfamilie Foundry Journal bestimmt; die beiden Engländer David Quay und Freda Sack haben diese gut ausgebaute Schrift entwickelt. Lange suchten wir ein geeignetes Papier für das Medium. Es sollte zu Holz und Architektur passen und eine gute Basis für anspruchsvolle Reproduktionen von filigranen Plangrafiken ebenso wie von Fotografien bieten. Das lichte Chamois und der sanfte Griff sprachen schließlich für PhöniXmotion.

Der Erfolg des Mediums in Sachen Aufmerksamkeit, Leser­blattbeziehungen und Gefragtheit wird durch laufende Feedbacks von Leserinnen und Lesern, durch eine hohe Zahl von ca. 15.000 Abonnements und durch unabhängige Untersuchungen bestätigt. Inserate oder externe Werbetexte finden sich in diesem Magazin keine. Selbst auf der Rückseite steht anstelle einer gewinnbringenden Anzeige jeweils ein Artikel zu Holz in der zeitgenössischen Kunst. Neben technischen und architektonischen Schwerpunkthemen leistet sich der Herausgeber auch immer wieder Ausgaben, die in erster Linie von gestalterischen, phänomenologischen und poetischen Intentionen getragen sind. Zuschnitt 16 beispielsweise beschäftigte sich mit „Holz in der Sprache und Holz als Sprache“ – er wurde bewusst ohne Fotografie gestaltet. Hier ist es gerade umgekehrt: Die Bildhaftigkeit liegt in der typografischen Gestaltung. Zuschnitt 28 widmete sich dem Papier als Holzwerkstoff und gleichzeitig Bedruckstoff. Für diese Ausgabe wurden sechs verschiedene Papierarten verwendet und vorgestellt. Zuschnitt 56 beschäftigte sich mit dem Phänomen „Holz hören“. Als wir die Aufgabe bekamen, den Klang von Holz sichtbar zu machen, haben wir uns zuerst auf Bildersuche begeben. Wir suchten Abbildungen, die uns an bestimmte Klänge denken lassen und vice versa. Mit einem portablen Wave-Recorder machten wir in einem Aufnahmewinkel von 90 Grad Aufnahmen, bei denen wir Holz hören konnten: das Fallen von Mikadostäben, eine knarrende Holztreppe und andere Szenen. Wir übertrugen die jeweilige Monospur über Grafikprogramme in Soundgrafiken. Diese visualisieren auf der horizontalen Zeitachse Abstand und Ausschlag von bestimmten Schallwellen. Aus der Darstellung lässt sich etwas über die Reinheit eines Klangs und über die Wiederholung von gewissen Klangelementen erfahren, wie das An- beziehungsweise Abklingen, die Dichte oder die Begrenztheit eines Klangs.

Von all diesen speziell gestalteten Seiten kann hier nur eine referenzielle Auswahl gezeigt werden. Einen Überblick zur Vielfalt der inzwischen annähernd 2000 gestalteten Seiten erhält man auf www.zuschnitt.at. Wie Otto Kapfinger sagt: „Mit der Fachzeitschrift ,zuschnitt‘ bietet proHolz nun seit Jahren der breit angesprochenen Fachwelt das inhaltlich und gestalterisch weitaus beste Bau-Fachmedium in Österreich – ein medialer ,Resonanzraum‘ erster Güte.“

Reinhard Gassner