eindeutig vielschichtig

Singular Plural  –  Buchgestaltung Geninasca Delefortrie Architects, Neuchâtel

Der Architekt und Architekturkritiker Alberto Alessi wurde mit der Herausgabe einer Werkmonografie für Geninasca Delefortrie Architectes aus Neuchâtel in der Schweiz beauftragt und schlug uns für die Buchgestaltung vor. Die Begegnung mit Laurent Geninasca und Bernard Delefortrie sowie die Besichtigung ihrer Bauten machte uns klar, dass es hier um besondere gestalterische Ansätze ging. Auffallend war, wie ihre Architektur in den Umraum eingebunden ist. Das redaktionelle Konzept von Alessi thematisierte diesen Aspekt bereits im Titel: „Singular Plural“. Die Bauten zeigen starke Identität und vielfältige Persönlichkeit, die mit charmanten Gesten in Beziehung zu ihrer kontextuellen Nachbarschaft treten. Alberto Alessi gliederte den Inhalt in sechs Kapitel mit folgenden Argumenten: „In Anlehnung an den Titel ist die Publikation wie eine offene Matrix aus verschiedenen Elementen aufgebaut, die mehrere Arten des Lesens zulässt. Ein polyphoner Dialog verläuft durch das gesamte Buch, der die Ansichten vieler Teilnehmer einbezieht; diskutiert werden dabei die Annahmen hinter der Praxis, Analysen über die Beziehung zwischen Architektur und Kontext, Architektur und Kunden, zwischen öffentlich und privat. Untersucht wird die Arbeit des Architekten zwischen Programm und Interpretation sowie den unterschiedlichen Werkzeugen, die zum Endprodukt führen: die Form und die Schönheit der Dinge.“ Die Auswahl und Zuordnung der Projekte unterlag den Kriterien dieser Gliederung.

Reinhard Gassner

Die vorgestellten Bauten tauchen mehrfach im Buch auf. Sie sind einmal ausführlich porträtiert und zusätzlich punktuell als kleine Schwarz-Weiß-Bilder weiteren Themenbereichen zugeordnet. Das hat mit dem Titel „Singular Plural“ zu tun. Selbst wenn einzelnen Projekten bestimmten Leitqualitäten zugeordnet sind, verwirklichen sie immer auch eine Summe spezieller architektonischer Ansätze von Geninasca Delefortrie. Jeder Text besteht aus mehreren Stimmen und Positionen und ist deshalb gesetzt wie locker aufeinandergeschichtete Bausteine, fließend, aber mit Abständen dort, wo im Gespräch Pausen oder thematische Wechsel auftraten. Dieser Text ist stets am Anfang des jeweiligen Themenbereichs platziert. Die Bauten selbst werden jeweils nur mit wenigen Zeilen auf den einleitenden Doppelseiten mit den Plänen vorgestellt. Die auf das Wesentliche reduzierten Plandarstellungen sind kohärent und in projektspezifischer Maßstäblichkeit präsentiert. Die klassische Art der Architekturfotografie entsprach nur ansatzweise der redaktionellen Linie des Buches. Uns fehlte das „Plural“ zum „Singular“. Wir baten daher den Fotografen Thomas Jantscher zusätzlich um Fotosujets der ausgewählten Bauwerke in situativen Zusammenhängen. Auch wenn es der geläufigen Norm einer glatten Darstellungsästhetik widerspricht, wurden in Abstimmung mit Herausgeber und Architekten viele dieser neuen Aufnahmen für die Publikation verwendet.

Um die Mehrstimmigkeit zu unterstreichen, ist das Inhaltsverzeichnis auf der darauffolgenden Doppelseite mit Plandarstellungen aller Bauten im gleichen Maßstab verknüpft. Es bietet einen alternativen visuellen Einstieg zu den Bauwerken. Auf dieser Projekttafel treten die Bauten in Beziehung zueinander, zeigen auf einen Blick die Kontinuität und gleichzeitig die Eigenständigkeit des Entwerfens von Geninasca Delefortrie Architectes.
Wie ein Walfisch, der auftaucht, um Luft zu holen, begrüßt uns das Stadion de la Maladière in Neuchâtel. So schwer und doch so leicht verbindet sich das Gebäude wellenartig mit Stadtraum, Wasserfläche und Horizont. Die Architekten schaffen es, ihre Bauten in ihrer formalen und inhaltlichen Sprache unaufgeregt und selbstverständlich in die Umgebung einzubeziehen. Die Abgrenzungen sind erkennbar, sie lassen jedoch den Blick von innen nach außen offen, wenn ihnen dies richtig und notwendig erscheint. Das Wechselspiel von Transparenz und Transluzenz wird mit der richtigen Rezeptur eingesetzt. So schlängelt sich beispielsweise die Fußgängerbrücke über die Areuse im Umland der Stadt wie eine Baumwurzel durch den Wald und inspirierte mich für die Covergestaltung. Das Ziel war, die hier praktizierte Durchlässigkeit von Licht und Schatten, von Innen- und Außenraum aufzunehmen. Anstelle eines Aufdrucks entschieden wir uns daher für eine gestanzte Typografie im Cover. In vier Zeilen überschreiben sich die versal gesetzten Worte „Singular Plural“ mehrfach und zeigen eine Transformation vom einen zum anderen Begriff. Verstärkt wird diese Metamorphose durch Punkt- und Linienraster.

Die Technik der Laserstanzung ermöglicht feine Texturen und Details. Wir testeten verschiedene Stärken der Raster auf schwarzem Umschlagkarton über weißem Naturpapier. Die Lichtdurchlässigkeit der Großbuchstaben erzeugt bereits beim ersten Blick auf den noch geschlossenen Umschlag ein changierendes Typobild, erst beim Aufschlagen des Covers sorgt das durchscheinende Licht für den visuellen Überraschungseffekt und für sich immer wieder verändernde Lichtreflexe auf dem Innencover.

Andrea Gassner